Nutzung von Cure Rate und Recovery Rate in der Steuerung des Kundengeschäftes
09. Juli 2024
VR-Control feierte in diesen Tagen seinen 25. Geburtstag. Nicht als Software, sondern als Fachkonzept. Beginnend am 27. Juni 1999 wurde daran gearbeitet, die beste mögliche Steuerungslösung zu konzipieren, um darauf aufbauend die beste mögliche Softwarelösung für die Steuerung zu entwickeln. Zielsetzung war es, Ergebnis- und Risikosteuerung in einem geschlossenen System abzubilden. Streng barwertig mit der GuV als Nebenbedingung.
Mit jedem Release kommt die Software-Umsetzung diesem Ziel ein kleines bisschen näher. Aber manchmal geht schon heute viel mehr, als man denkt. Wie sich Adressrisikoergebnis und Credit Value at Risk besser miteinander vereinen lassen, beschreibt unser Kollege Lars Holzgraefe.
Eine Achilles-Ferse der Fachkonzepte von VR-Control und auch noch Jahre später der Software-Umsetzung war der Bereich der Steuerung von Adressrisiken im Kundengeschäft. Während in der Ergebnissteuerung die Wertveränderung des Portfolios durch Ratingveränderungen und Sicherheitenwertschwankungen gemessen wurde, wurde als Risiko die Möglichkeit einer GuV-Belastung durch Ausfälle definiert. Weder war das Risiko von Wertschwankungen Gegenstand der Konzepte von VR-Control noch die Messung der GuV-Belastung durch EWB-Zuführungen als Ist-Risikokosten. Dieses Manko wurde erst mit der Einführung von „Kreditportfoliomodell Kundengeschäft barwertig“ in VR-Control 6.5 weitgehend behoben. So wie das Adressrisikoergebnis ex post die sicherheitenwert- und bonitätsinduzierten Wertschwankungen des Prämienbestandes misst, quantifiziert das neue Kreditportfoliomodell die sicherheitenwert- und bonitätsinduzierten Risiken eines im Wert schwankenden Prämienbestandes. Bedauerlicherweise schießt das neue Kreditportfoliomodell ein bisschen über das Ziel hinaus. Basis des Bestandes an Risikoprämien ist die Berichtsgröße „Kreditrisikoprämie EL KM“, in deren Berechnung Zahlungsstrom, Sicherheitenwerte, Ausfallwahrscheinlichkeit des Kunden aber auch Faktoren wie eine Wiedergesundungsquote, eine Einbringungsquote oder eine Saldenquote mit einfließen. Die Berichtsgrößen der kalkulatorischen Risikokosten in der Deckungsbeitragsrechnung und der Adressrisikoergebnisrechnung kennen diese nur teilweise. So ist es möglich, einer der Wiedergesundungsquote entsprechende Cure- und eine der Einbringungsquote entsprechende Recovery Rate zu berücksichtigen. Allerdings war die Verwendung bisher vorsichtig formuliert nicht gerne gesehen.
Nun, wo seitens der parcIT Werte für Cure und Recovery Rate geschätzt wurden, empfiehlt es sich, über eine Verwendung in der Berechnung von Deckungsbeiträgen und Adressrisikoergebnis nachzudenken. Die Vorteile einer Einbeziehung von Cure und Recovery-Rate liegen auf der Hand:
- Die kalkulatorischen Risikokosten dienen der Abdeckung erwarteter und unerwarteter Verluste. Dazu sollten sie im wahrsten Sinne des Wortes risikoadjustiert sein. Und wenn die Kalkulation des Risikos Cure und Recovery Rates verwendet, die der kalkulatorischen Risikokosten aber nicht, ist dies nicht der Fall!
- Für Anwender der grundsätzlichen Methode der Berechnung der PWB nach BFA 7 sollten Lifetime Expected Loss und der Barwert der ausstehenden Risikoprämien auf gleiche Art berechnet werden. Hierzu ist es erforderlich, Cure und Recovery Rate auch in der Berechnung der kalkulatorischen Risikokosten und des Adressrisikoergebnisses mit zu berücksichtigten.
- Um die Angemessenheit des Kreditportfoliomodells nachweisen zu können, benötigt man ein geeignetes Backtesting. Da als Risiko die Wertänderung des Prämienbestandes durch Bonitäts- und Sicherheitenwertänderungen definiert sind, sollte das Backtesting auf Basis der beobachteten Wertänderungen des Prämienbestandes durch Bonitäts- und Sicherheitenwertänderungen erfolgen. Dies sind die Bonitäts- und Sicherheiteneffekte der Adressrisikoergebnisrechnung. Allerdings geben diese die Wertveränderung der Berichtsgröße „Risikoprämie KM“ wieder, die im Normalfall ohne Einbringungs- und Wiedergesundungsquote gerechnet wird. Durch die Verwendung von Cure und Recovery Rate kann man eine verbesserte Vergleichbarkeit von „Rsikoprämie KM“ mit „Kreditrisikoprämie EL KM“ erzielen.
Eine Herausforderung ist die Parametrisierung von Cure und Recovery Rate in VR-Control. Während für die Erfassung der Wiedergesundungs- und Einbringungsquoten eigene Baumstrukturen definiert sind, ist die Erfassung von Cure und Recovery Rate fest an die Baumstruktur, anhand derer die Migrations- und Ausfallwahrscheinlichkeiten erfasst werden, gekoppelt.
Um Cure und Recovery Rate auch in der Berechnung des Adressrisikoergebnisses verwenden zu können, ist folgendermaßen vorzugehen:
- Aktivierung der Verwendung von Cure und Recovery-Rate in den globalen Voreinstellungen
- Ermittlung der Cure und Recovery Rates: Hierzu ist die Verteilung der Effektiv-Volumina pro Knoten des Baumes für die Wiedergesundungs- und die Einbringungsquote auf die Knoten des Baumes für die Risikoprämienkalkulation zu ermitteln und die Quoten mit dem Effektivvolumen zu gewichten
- Erfassung der gewichteten Wiedergesundungs- und Einbringungsquoten als Cure und Recovery Rate.
Grundsätzlich ist es wünschenswert, die Historie der unter Berücksichtigung von Cure und Recovery Rate kalkulierten Stichtage so lange wie möglich zu kalkulieren. Durch die Neukalkulation ändern sich die Berichtsgrößen der Adressrisikoergebnisrechnung und die der kalkulatorischen Risikokosten im Deckungsbeitragsschema. Insbesondere dann, wenn diese Berichtsgrößen keine Verwendung in bereits kommunizierten Reportings oder ähnlichem finden, ist eine Neukalkulation ohne Neuversorgung von ZINSMANAGEMENT unkritisch.
Nachdem die Benutzung der Funktionen jahrelang verpönt bis verboten war, ist die Hemmschwelle einer Verwendung möglicherweise hoch. Aber die Verwendung lohnt sich in jedem Fall. Lassen Sie uns gerne reden, wenn Sie mehr erfahren wollen.
Lars Holzgraefe reist gerne, mag Opern und gutes Essen. Und er ist Fan der Adressrisikoergebnisrechnung. Kein Wunder, er hat sie von langer Zeit mal konzipiert. Nur dass Cure und Recovery Rate nie Verwendung gefunden haben, hat ihn immer gestört. Mit der Einführung von „Kreditportfoliomodell Kundengeschäft barwertig“ sieht er jetzt die Chance gekommen, dieses Manko zu beheben.