Mehr Proportionalität in der Bankenaufsicht: Wie kleine Institute von den neuen BaFin-Erleichterungen profitieren
21. Januar 2025
Eine der bemerkenswertesten Veröffentlichungen der BaFin war gegen Ende des vergangenen Jahres die Aufsichtsmitteilung „Kleine und sehr kleine Kreditinstitute: Proportionalität in den Anforderungen der BaFin an das Risikomanagement“. Für (sehr) kleine und nicht-komplexe Banken werden erhebliche Erleichterungen in der Erfüllung der Anforderungen der Aufsicht genehmigt. Darüber, was dies für Ihr Institut bedeutet und wie Sie dadurch profitieren können, schreiben unsere Kollegen Lars Holzgraefe und Lukas Schulte.
Ein Paradigmenwechsel in der Bankenaufsicht
Zum ersten Mal gewährt die BaFin kleinen und sehr kleinen, nicht-komplexen Banken in vielen Bereichen deutliche Erleichterungen bei der Umsetzung aufsichtsrechtlicher Vorgaben. Konkret zielt die Mitteilung darauf ab, den administrativen und operativen Aufwand in Bereichen wie Risikomanagement, Stresstests und Berichtswesen zu reduzieren. Diese neuen Erleichterungen gelten für:
- Kleine Institute (Small and Non-Complex Institutions, SNCIs): Diese sind gemäß der CRR definiert.
- Sehr kleine Institute: Hier gilt die Grenze einer Bilanzsumme von maximal 1 Milliarde Euro.

Diese Differenzierung ist insofern entscheidend, da sie bestimmt, welche Institute von den spezifischen Erleichterungen profitieren können, etwa bei der Anwendung des Säule-1+-Ansatzes.
Die wesentlichen Erleichterungen im Überblick
Die Aufsichtsmitteilung umfasst mehrere zentrale Neuerungen:
- Risikoinventur
– Nutzung eines Schwellenwerts von 5 % des Risikodeckungspotenzials für eine vereinfachte Identifikation von wesentlichen Risiken. - Stresstests
– Reduktion des Umfangs durch rollierende risikoartenspezifische Stresstests.
– Standardisiertes adverses Szenario und übergreifender Stresstest („schwerer konjunktureller Abschwung“) für die normativere Perspektive. - Berichtswesen
– Flexiblere Anforderungen in Bezug auf Frequenz und Detaillierungsgrad.
– Jahresberichte für stabile Geschäftsbereiche möglich (ausgenommen Liquiditäts- und Kreditrisiken). - Strategie- und Kapitalplanung
– Für Institute mit einem Kapitalpuffer von 2 % entfällt die unterjährige Überwachung.
Wie kann eine Entlastung in der Praxis aussehen?
Stresstests vereinfachen: Statt umfangreicher, individueller Szenarien können die risikoartenübergreifenden Stresstests durch die Nutzung des schweren konjunktureller Abschwungs, solange die notwendigen Voraussetzungen hierzu erfüllt sind, als adverses Szenario verschlangt werden. Daneben kann ein Institut inverse Stresstests, sowohl im ICAAP als auch im ILAAP, qualitativ durchführen oder, sofern das Risikoprofil dies zulässt, auf diese vollkommen verzichten.
Berichtsturnus optimieren: Wenn Geschäftsbereiche über eine hohe Stabilität verfügen, ist ein jährlicher Bericht oft ausreichend. Dies ist eine Chance, bestehende Berichtszyklen kritisch zu prüfen und gegebenenfalls schlanker zu gestalten. Daneben kann im Rahmen der Angemessenheitsüberprüfungen auf einen eigenständigen Bericht verzichtet werden, sofern die Institute auf Basis der Angaben des Dienstleisters prüfen, ob der verwendete Datenpool mit der Beschaffenheit der eigenen Portfolien grundsätzlich
Risikomodellierung vereinfachen: Mit dem Säule-1+-Ansatz können sehr kleine Institute bei der Bewertung nicht Säule-1 abgedeckter Risiken auf vereinfachte Methoden zurückgreifen – etwa durch Rückgriff auf qualifizierte Expertenschätzungen basierend auf vorhandenen Daten statt komplexer Modelle. Für die Risiken, die Säule-1 bereits abgebildet sind (z.B. Kreditrisiken), wäre ein Rückgriff auf die Risikowerte der Säule 1 statt komplexer Modelle denkbar.
Wie profitieren Anwender von VR-Control im Allgemeinen?
Was auf den ersten Blick erstmal großartig klingt, bedeutet auf den zweiten Blick zunächst einmal Arbeit. Welche Vereinfachungen möglich sind und was dies im Übergang von der alten Welt auf eine neue vereinfachte Steuerung bedeutet, muss gründlich untersucht werden. Dies bedeutet im Zweifelsfall Zusatzaufwand, der sich bei etablierten Prozessen erst einmal rechnen muss.
Unkritisch erscheint die Vereinfachung der Prozesse für die Erbringung von Angemessenheitsnachweisen. Für betroffene Institute ist es aller Voraussicht nach nicht mehr erforderlich, eigene Leistungen zu erbringen, die über ein Ausfüllen der von der parcIT GmbH zur Verfügung gestellten Unterlagen hinausgehen. Dies spart leicht einige Personentage. Und auch wenn sich die Guides hier in das eigene Fleisch schneiden: Für die Banken, die sich hier von externen Dienstleistern unterstützen lassen, spart das somit auch bares Geld.
Steuerung des Adressrisikos für Nicht-Genossenschaftsbanken
Durch die Möglichkeit für sehr kleine Institute, die Risikomodellierung zu vereinfachen, entfällt zum Beispiel die Notwendigkeit der Kalkulation eines Credit Value at Risks. Gerade bei kleinen Banken sind die Ergebnisse der Kalkulation von VR-Control KRM häufig nicht plausibel und wirken extrem konservativ. Ein Rückgriff auf die Säule-1-Risikowerte wird zwar dennoch Risikodeckungsmasse kosten, aber ggf. kann eine Bank Kosten für Software und Verfahrensleistungen einsparen.
Diese Option ist für eine Genossenschaftsbank in der Regel irrelevant, da eine Nichtnutzung nicht zu reduzierten Kosten führt. Interessant ist diese Option aber für kleine und kleinste Kunden der Atruvia AG und der parcIT GmbH, da die Notwendigkeit der Nutzung von „Kreditportfoliomodell Kundengeschäft barwertig“ ggf. entfällt.
Was tun?
Es ist einfach, sich bei den anstehenden Angemessenheitsnachweisen auf das Ausfüllen der Dateien der parcIT GmbH zu beschränken. Der Nutzen dieser Vereinfachung erschließt sich sofort. Gehen Sie dennoch gründlich im Angemessenheitsnachweis zum Beispiel der Verlustschätzungskomponenten und von „Kreditportfoliomodell Kundengeschäft barwertig“ vor. Die möglichen Vereinfachungen beschränken sich vorrangig auf die zu erbringende Form des Angemessenheitsnachweises.
Weitaus interessanter ist die Fragestellung, ob sich ggf. der Verzicht auf die Berechnung des Credit Value at Risks lohnt. Hier sind folgende Fragen zu beachten: Welche Kosten lassen sich bei Atruvia AG, bei der parcIT GmbH aber auch bei der Betreuung durch externe Beratungen wie die Guides einsparen? Welche Mehrbelastung an Risikodeckungsmasse und welchen Anstieg an Eigenkapitalkosten bedeutet ein Umstieg der Vorgehensweise zur Eigenkapitalunterlegung der Kreditrisiken? Welche Folgekosten (Anpassungen des Reportings, der Planung etc.) sind mit einem Umstieg verbunden? Ist zusätzlich zur Ermittlung der Risikodeckungsmasse ein Einsatz einer alternativen Risikoquantifizierung im Adressrisiko für die ökonomische Steuerung gewünscht? Wird „Kreditportfoliomodell Kundengeschäft barwertig“ zum Beispiel in der Steuerung durch ein Früherkennungssystem von Ausfällen ersetzt?
Die möglichen Vorteile, die sich aus der Aufsichtsmitteilung ergeben, nicht zu nutzen, wäre sträflich. Allein schon deshalb, weil es ein falsches Signal sendet. Wo die Gesamtbanksteuerung vereinfacht werden kann, sollte sie vereinfacht werden. Aber wenn Sie jetzt Ihre Gesamtbanksteuerung optimieren, holen Sie das Optimum an Möglichkeiten für sich und für Ihr Haus heraus. Wir unterstützen Sie gerne dabei, Kosten und Arbeitsbelastung optimal zu reduzieren.
Lars Holzgraefe und Lukas Schulte sind Berater bei guides.consulting. Lars Holzgraefe, der privat eher zu Pedanterie neigt, ist bei der Umsetzung regulatorischer Anforderungen ein großer Verfechter einer pragmatischen Herangehensweise. Mit der Aufsichtsmitteilung zu Proportionalität hat die BaFin bei ihm offene Türen eingerannt. Lukas Schulte befürwortet die Erleichterungen und rät insbesondere aufgrund der Signalwirkung gegenüber Dritten zu deren umfänglicher Nutzung.