Riskadjusted Pricing unter ESG-Gesichtspunkten
11. Juli 2025
Welche Rolle Nachhaltigkeit in der Welt von Morgen spielen wird, ist unklar. Insbesondere die Position der USA wird hierzu Auswirkungen überall auf der Welt haben. Banken spielen in diesem Umfeld eine wichtige Rolle. Unter anderem geht es dabei um die Frage, wie ESG-Aspekte die Bepreisung von Baufinanzierungen beeinflussen können oder vielleicht sogar müssen.
ESG & Regulatorik: Was kommt auf Banken zu?
Beginnen wir mit dem regulatorischen Fundament. Die ESG-Welle ist längst nicht mehr nur ein Kommunikationsthema, sondern hat die Welt der Bankenaufsicht voll erreicht – EU-Taxonomie, EBA-Leitlinien, BaFin-Nachhaltigkeitsaufsicht: All das verpflichtet Banken, ESG-Risiken systematisch zu identifizieren und zu steuern.
Baufinanzierungen stehen dabei besonders im Fokus – sie sind langlebige Engagements und spiegeln physische Klimarisiken unmittelbar wider: Denkt man an Starkregen, Hitzebelastung oder die Energieeffizienz von Gebäuden.

Bepreisung von Krediten: Was beeinflusst den Zins?
Was bedeutet ESG nun für die konkrete Kreditbepreisung? In der klassischen Sicht ergibt sich der Zinssatz aus mehreren Komponenten: Adressrisiko, Liquiditätskosten, Betriebskosten, Kapitalbindung, Marge.
ESG ist bislang noch kein offizieller Bestandteil dieser Kalkulation – aber es wirkt zunehmend ein. Banken beginnen, differenzierte Angebote zu machen: zum Beispiel Green Mortgages mit leicht vergünstigten Zinssätzen, sofern bestimmte Nachhaltigkeitskriterien erfüllt sind.

Das Dilemma: Die Bepreisung erfolgt teils auf Basis dünner Faktenlage – die Grenze zum Greenwashing ist schnell erreicht. Daher ist eine saubere Datenbasis entscheidend.
ESG-Risiken im Rating & in der Immobilienbewertung
ESG wirkt nicht nur über die Produktseite, sondern auch über das Risikomanagement – konkret im Ratingprozess.
Nachhaltigkeit wird zunehmend als Risikofaktor bewertet: Hat der Kreditnehmer eine CO₂-intensive Geschäftstätigkeit? Gibt es Klimarisiken in der Lieferkette? Wie robust ist die ESG-Governance?
Und bei der Immobilienbewertung spielen ESG-Faktoren eine immer größere Rolle: Energieeffizienz, baulicher Zustand, Lage in Bezug auf Klimarisiken – das alles beeinflusst mittel- bis langfristig den Marktwert und damit auch den Beleihungswert.
In beiden Fällen gilt: Wenn ESG-Risiken transparenter werden, schlagen sie auch auf die Risikokosten und letztlich auf den Zinssatz durch.
Daten & Prozesskosten: Der unterschätzte Preistreiber
Ein Aspekt, der oft übersehen wird: ESG hat auch Einfluss auf die Prozesskosten – und damit auf die Preiskalkulation. Wenn ein Kreditnehmer strukturierte, vollständige ESG-Informationen liefert, können Prüfprozesse deutlich effizienter gestaltet werden. Das bedeutet: weniger Rückfragen, schnellere Entscheidungen, geringerer Bearbeitungsaufwand.
Für Banken wird es attraktiver, solchen Kunden günstige Konditionen anzubieten – nicht aus Idealismus, sondern weil es wirtschaftlich ist.
Wenn ESG-Informationen systematisch digitalisiert und standardisiert bereitgestellt werden, entsteht ein echter Effizienzgewinn.
Externe Effekte: Bald ein Preismodell?
Und jetzt zum vielleicht spannendsten Punkt: Müssen Banken künftig auch externe ESG-Wirkungen ihrer Finanzierungen in die Preislogik aufnehmen?
Bislang reflektiert der Zins vor allem das bankinterne Risiko. Aber was ist mit dem CO₂-Fußabdruck der Immobilie? Oder mit der langfristigen gesellschaftlichen Wirkung der Finanzierung?
Es gibt Überlegungen, ob – analog zur CO₂-Steuer – externe Effekte zukünftig über Zuschläge oder Abschläge in die Kalkulation eingehen sollten.

Das wäre ein Paradigmenwechsel: vom reinen Risikopreis zum wirkungsbasierten Preis. Politisch wird dieser Weg durchaus diskutiert – aber es braucht dafür belastbare Standards und eine hohe Transparenz.
Fazit & Ausblick
Zusammenfassend lässt sich sagen: ESG ist kein vorübergehender Hype – es verändert die Banksteuerung, die Risikoprozesse und eben auch das Pricing.
Die Anforderungen steigen – aber auch die Spielräume wachsen. ESG kann ein echter Differenzierungsfaktor werden – sowohl auf Produktebene als auch in der Kundenansprache.
Banken müssen jetzt damit beginnen, ESG-Daten systematisch zu erfassen, in Prozesse zu integrieren – und vor allem: in ihre Preislogik zu übersetzen.
Denn am Ende wird der Zins nicht nur vom Risiko, sondern auch von der Wirkung abhängen.
Lars Holzgraefe ist Diplom-Volkswirt. Und nach seinem Diplom musste er mehr als 25 Jahr warten, bis er seine Kenntnisse über die Rolle von externen Effekten bei Marktversagen in einem Praxisbeispiel anwenden konnte. Dass dies bei einem seiner Lieblingsthemen, dem risikoadjustierten Bepreisen von Kundenkrediten der Fall sein würde, hat er sich seinerzeit in den Vorlesungen zur VWL-Theorie auch nicht gedacht…